„Der Morgen gehört uns“ von Davide Coppo, erschienen im Kjona Verlag ᵘⁿᵇᵉᶻᵃʰˡᵗᵉ ᵂᵉʳᵇᵘⁿᵍ
Aus dem Italienischen von Jan Schönherr
Inhaltsangabe:
Ettore lebt in einem kleinen Ort bei Mailand. Seine Eltern haben verlernt, miteinander zu reden. Der einzige Mensch, dem er sich anvertraut, ist seine Großmutter Elsa. Das ändert sich, als er in die Schule wechselt. Dort lernt er den charismatischen Giulio kennen, der ihn in den Kreis der Federazione, einer faschistischen Jugendorganisation, aufnimmt. Gemeinsam gehen sie zum Demonstrieren auf die Straße und wirken an etwas Großem, Gerechtem mit, wie Ettore denkt. Als es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit der Gegenseite kommt, ist er wie elektrisiert. Und verheimlicht Elsa erstmals etwas. Aus Angst, dass der Weg, den andere für falsch halten, für ihn der einzig richtige sein könnte.
„Als ich mich Jahre später fragte, wo und wann alles angefangen hatte, wo der Point of no Return gewesen sein mag, an dem ich endgültig falsch abgebogen war, stellte ich schaudernd fest, dass ich das unmöglich sagen konnte.“ (Seite 19/20)
In „Der Morgen gehört uns“ erzählt der in Arrest sitzende Ettore seine Geschichte. Wie kam es dazu, dass er bestimmte Dinge tat und dachte? Wo ist er falsch abgebogen?
Eigentlich war er ein ganz normaler, sensibler Junge. Ein Schulwechsel macht in zu einem Suchenden nach Halt und Anschluss. Dort lernt er den charismatischen Giulio kennen, der ihm Zugang zu einer faschistischen Jugendorganisation verschafft, der sogenannten Federazione.
Das ist der Zeitpunkt, wo er aufhört sich seiner Großmutter Elsa anzuvertrauen und eine andere Richtung einschlägt. Zu seinen Eltern hat er unlängst kein gutes Verhältnis mehr und in der Federazione erfährt Ettore zum ersten Mal in seinem Leben das Gefühl von Zugehörigkeit.
Das Buch beschäftigt sich mit der Entstehung einer Radikalisierung. Das besondere ist, dass es mit leisen und zarten Tönen auskommt, persönlich erzählt wird und alles in schöner Sprache verpackt ist. Ein Lob geht an dieser Stelle an den Übersetzer, der es geschafft hat, die besondere Atmosphäre des Buches zu transportieren.
Beim Lesen so nah mitzuerleben, wie schleichend eine Radikalisierungs-Spirale beginnen und irgendwann nur noch auf Extrem zusteuern kann, war faszinierend und erschreckend zugleich. Man merkt, das der Autor weiß, wovon er spricht, denn er hat Dinge aus seiner eigenen Vergangenheit in den Roman einfließen lassen. Nur ist er irgendwann woanders abgebogen…
Der Roman zeigt wieder: Es sind die leisen Dinge, die unser Herz berühren. Wahrscheinlich ist das der Grund, dass der Roman mir unter die Haut gegangen ist und hat mich nachhaltig beschäftigt hat.
Von mir gibt es eine große Empfehlung für das nach meinem Empfinden brandaktuelle Thema. Unlängst sind wir mittendrin in den Geschichten der Ettores von heute. Ich vergebe 4/5 Sternen.
Ich bedanke mich herzlich beim Kjona Verlag für das Buch, das ich zusammen mit anderen Büchern des Verlages beim Newsletter-Gewinnspiel gewonnen habe.