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„Stonehenge — Die Kathedrale der Zeit“ von Ken Follett, übersetzt von Rainer Schumacher und Dietmar Schmidt, erschienen bei Lübbe ᵘⁿᵇᵉᶻᵃʰˡᵗᵉ ᵂᵉʳᵇᵘⁿᵍ, ᴿᵉᶻᵉⁿˢⁱᵒⁿˢᵉˣᵉᵐᵖˡᵃʳ

Ich bin ein großer Fan von Ken Follett, vor vielen Jahren mit seinen Spionagethrillern eingestiegen und habe die Kingsbridge-Reihe ebenso verschlungen wie seine Jahrhundert-Trilogie. „Never“ hat mich zuletzt sehr nachdenklich gemacht (zur Rezension von „Never“) und entsprechend gespannt war ich auf sein neuestes Werk, das sich um Stonehenge dreht.

„Stonehenge“ steht in der Tradition dieser Reihen und ist in dieser Hinsicht ein klassischer historischer Ken Follett-Roman. Wie schon „Never“, der in der Zukunft spielt und damit naturgemäß aus diesem Rahmen fällt, ist aber auch „Stonehenge“ anders — in Ermangelung historischer Bezüge fehlt die Follett-typische Verwobenheit seiner Geschichte mit konkreten Ereignissen der Geschichte. Abgesehen vom Monument selbst natürlich. Wie Stonehenge tatsächlich erbaut wurde, kann nur gemutmaßt werden — und Follett hat um eine plausible Annahme herum einen Roman aufgebaut.

Der damaligen Zeit und Lebensrealität der Menschen entsprechend, ist auch das Setting der Geschichte weniger weitreichend und komplex. Alles spielt sich in einem geographischen Bereich ab, den man in wenigen Tagesmärschen erreichen kann. Die Lebenswege der verschiedenen Protagonisten kreuzen sich schnell und bleiben über die Geschichte konstant.

Wir begleiten den Steinhauer Seft, der seine gewalttätige Familie verlässt und sich dem Volk der Hirten anschließt, sowie seine Schwägerin Joia, die Priesterin wird und eine Vision für das bisher aus Holz gefertigte Monument entwickelt. Das Monument dient den Menschen als heiliger Ort für ihre Riten und gleichzeitig als Kalender und Rechenhilfe. Follett orientiert sich also an den üblichen Annahmen, wozu Stonehenge einst diente.

Mit der Bäuerin Pia und dem Waldmensch Bez sind auch die anderen Bevölkerungsgruppen im Umfeld der großen Ebene vertreten. Individueller Egoismus, Neid und Missgunst verhindern, dass diese Gruppen dauerhaft friedlich zusammenleben können; wie so oft sind die vernünftigen Menschen gegen die Dummen und Gewalttätigen machtlos.

Ich mochte an Folletts Romanen immer besonders die historische Akkuratesse, mit der ich viel über das Leben zur jeweiligen Zeit lernen konnte. Statt bisher maximal knapp tausend Jahre in die Vergangenheit sind es nun rund viereinhalb tausend — es war neu für mich, in die Jungsteinzeit einzutauchen. Ob das Leben der Menschen tatsächlich so war, wie Follett es beschreibt?

Laut Ken Follett muss ein guter Roman 50 dramatische Szenen enthalten. Ich hab wieder nicht mitgezählt, aber gefühlt waren es weniger beziehungsweise sie waren weniger dramatisch als üblich, vielleicht auch vorhersehbarer. Natürlich gelingt nicht jedes Vorhaben und nicht alle Protagonisten überleben, aber diesmal lässt Follett seine Hauptpersonen praktisch gar nicht leiden, es erwischt nur die Nebenfiguren.

Während mich der letzte Dan Brown (The Secret of Secrets, zur Rezension von „The Secret of Secrets“) überrascht hat, war es nun beim aktuellen Ken Follett eher umgekehrt — es bleibt natürlich ein gutes Buch auf hohem Niveau, aber die Begeisterung von früher wollte sich nicht einstellen.

Ich vergebe 4/5 Punkten für eine gelungene, typische Ken Follett-Erzählung zu einem beeindruckenden Bauwerk. Der englische Originaltitel „Circle of Days“ gefällt mir übrigens besser als die deutsche Übersetzung, zumal „Kathedrale“ für mich nicht passend klingt und im Buch konsequent vom „Monument“ gesprochen wird.

Herzlichen Dank für die Zusendung des Rezensionsexemplares!

Klappentext:

Ein Epos um eines der größten Mysterien der Weltgeschichte: Stonehenge.

Ein Mann mit außergewöhnlicher Gabe

In der Hitze des Hochsommers überquert Seft, ein begnadeter Feuersteinhauer, die Große Ebene, um den Ritualen beizuwohnen, die den Beginn des neuen Jahres anzeigen. Beim Markt zur Sommersonnenwende will er einige seiner Steine eintauschen und Neen suchen, das Mädchen, das er liebt. Neens Familie lebt in Wohlstand und bietet Seft in ihrer Gemeinschaft von Hirten Zuflucht vor seinem brutalen Vater und seinen aggressiven Brüdern.

Eine Priesterin, die an das Unmögliche glaubt

Joia, Neens Schwester, ist eine Priesterin mit Vision, eine geborene Anführerin. Schon als Kind sieht sie der Zeremonie zur Sommersonnenwende wie gebannt zu. Sie träumt von einem wundergleichen neuen Monument, errichtet aus den größten Steinen der Welt.

Ein Monument, das eine Zivilisation prägen wird

Joias Vision von einem großen Steinkreis inspiriert Seft und wird zu ihrem gemeinsamen Lebenswerk. Doch als Dürre die Erde plagt, wächst das Misstrauen zwischen Hirten, Ackerbauern und Waldbewohnern – und eine grausame Gewalttat führt zu offenem Krieg …

Buchinfo:

Titel: Stonehenge – Die Kathedrale der Zeit
Autor: Ken Follett
Erschienen bei: Lübbe
Seiten: 672
ISBN: 978-3-7577-0123-9
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