„Mr. Goebbels Jazz Band“ von Demian Lienhardt, erschienen bei Frankfurter Verlagsanstalt
Schon als ich angefragt wurde, ob ich das Buch vorab lesen und rezensieren wollte, war meine Neugier geweckt (unbezahlte Werbung, Rezensionsexemplar). Joseph Goebbels hatte eine Jazzband? Das hatte ich noch nicht gehört und erschien mir zunächst völlig absurd. Beim näheren Hinsehen ist es natürlich durchaus plausibel – und sowieso historisch belegt. Zur Propaganda gehört es eben, Reichweite zu erzeugen, da war dann auch ein Mittel recht, das man in Deutschland selbst in jener Zeit nicht zugelassen hätte. Galt Jazzmusik im Dritten Reich als „entartet“, garnierte man das englischsprachige Programm der Propagandasender mit Musik, die bei den Adressaten in Großbritannien ankam. Und da man selbst produzierte, ließ sich in den Songtexten selbst auch Propaganda transportieren. So weit, so nachvollziehbar.
Meine Erwartung, viel über die Band, ihr Entstehen, Wirken und späteres Schicksal zu erfahren, oder auch über die Wirkweise der Propaganda, wurde jedoch enttäuscht. Auch Details über das Leben in Deutschland in den 40er-Jahren sucht man vergebens. Im Epilog wird zumindest kurz zusammengefasst, was aus den Protagonisten der wahren Geschichte wurde.
Im Fokus der Story stehen William Joyce, besser bekannt als Lord Haw-Haw, der Radiostimme des deutschen Propagandasenders für Großbritannien, und der Schriftsteller Fritz Mahler. Der US-Amerikaner/Ire/Brite und der Schweizer begleiten das Wirken der Jazzband, die eigentlich „Charlie and his Orchestra“ heißt. Mahler soll einen (Propaganda-)Roman über die Band schreiben, konzentriert sich dabei aber zunehmend auf Joyce als Hauptperson. Dessen (wahre) Lebensgeschichte ist durchaus spannend und lesenswert.
Der Stil des Buches ist außergewöhnlich. Die vollständige Abwesenheit direkter Rede wird Freunde des Konjunktiv I erfreuen, denn Dialoge werden durchaus reichlich geführt. Lienhardt gibt den allwissenden Erzähler, der mit seinem Schreibstil die Lesenden mit einbezieht, das Geschehen kommentiert und durch Einschübe, zum Teil in Klammern gesetzt, bewusst Distanz zum Beschriebenen aufbaut. Die Gefahr, den Protagonisten Sympathien entgegenzubringen, wird durch die Erzählweise effektiv entgegengewirkt (zumal sie ohnehin wenig Anlass bieten, sie zu mögen). Das ist dem Thema und der Zeit angemessen, die Methode transportiert (Wort-)Witz und hat mir gut gefallen. Dennoch ist der Schreibstil eigenartig und wer lange, verschachtelte Sätze nicht mag, wird das Buch wohl schnell aus der Hand legen.
Aus der Hand gelegt habe ich es auch immer wieder und musste mich zum Weiterlesen fast zwingen, denn dynamisch oder fesselnd ist die Geschichte nicht. Das laut Klappentext „furiose Tempo“ hat mich nicht gepackt, langweilig war das Buch jedoch keineswegs. Mein Urteil ist entsprechend ambivalent: Kann man gut lesen, muss man aber nicht unbedingt. Es ist ein außergewöhnliches Buch, bedient gewisse künstlerische Ansprüche und bietet eine Metaebene, die ich nicht erwartet hatte. Gleichzeitig ist mir die Intention nicht klar geworden, auch nicht durch die Nachworte. Ich mag Bücher, die in mir einen Denk- und Veränderungsprozess auslösen – die Geschichte selbst hat das Potential, aber richtig gefunkt hat es nicht.
3/5 Sternen
Vielen Dank an die Frankfurter Verlagsanstalt für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.